Hohlmeier: Reise nach Polen bietet Anlass zur Sorge

20.07.2022

Delegation des Haushaltskontrollausschusses besucht Polen und führt zahlreiche Gespräche mit Regierungsvertretern, Abgeordneten, Journalisten und Rechnungsprüfern / Anzeichen für eine zunehmende Politisierung der Verteilung öffentlicher Mittel 

Zum Abschluss der Informationsreise des Haushaltskontrollausschusses nach Polen erklärt Monika Hohlmeier (CSU), Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses des Europaparlaments:

„Wir haben uns in den letzten 3 Tagen ein Bild von der Verteilung, Verwendung und Verwaltung von EU-Mitteln in Polen gemacht und inwieweit die finanziellen Interessen der EU geschützt werden. Dabei haben wir uns auf die derzeitige EU-Finanzierung im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung konzentriert. Leider besteht nach unserer Reise durchaus Anlass zur Sorge. Zwar gibt es Systeme zum Schutz und zur Kontrolle der EU-Mittel, aber auch Probleme:

• Kleine- und mittelständische Unternehmen wurden Opfer einer missbräuchlichen Verwendung von Mitteln durch Briefkastenfirmen in Zusammenarbeit mit großen Unternehmen. Wir fordern die polnische Regierung auf, den Schaden für die betroffenen KMU auszugleichen. Wir begrüßen die Ankündigung von Regierungsvertretern, künftig derartige Probleme zu verhindern.
• Es gibt Anzeichen dafür, dass die Verteilung öffentlicher Mittel, einschließlich von EU-Geldern, zunehmend politisiert wird, und dass die komplizierten Kriterien für den Erhalt von EU-Mitteln deren gerechte Verteilung behindern. Die Abgeordneten haben den Eindruck gewonnen, dass die identifizierten Probleme zunehmend systemischer Natur sind. Insbesondere bestehen Probleme im Zusammenhang mit der Einhaltung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs.
• Das Fehlen einer unabhängigen Justiz und politische Eingriffe in die Arbeit von Richtern und Staatsanwälten ist ein wachsendes und systemisches Problem bei der unabhängigen Überprüfung der Verwendung von EU-Mitteln. Wir erwarten die Achtung der Gewaltenteilung, einem der Grundpfeiler des europäischen Rechts.
• Die uns berichtete Beschränkung des polnischen Rechnungshofs ist alarmierend. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Prüfbehörden unabhängig sind und dass sie geschützt und befugt sind, alle Prüfungen nach eigenem Ermessen durchzuführen. Wir sind sehr besorgt über den anhaltenden politischen Druck auf die Mitglieder des Rechnungshofs, die Verhinderung der Ernennung von neuen Mitgliedern und die Verweigerung des Zugangs zu den erforderlichen Dokumenten.
• Uns wurde auch ein Mangel an Transparenz gegenüber Mitgliedern des polnischen Sejms und gegenüber der Presse berichtet. Dies ist beunruhigend, da die Aufbau- und Resilienzfazilität mehr nationale Verantwortung erfordert und Europaparlament und Kommission weniger Aufsichts- und Kontrollbefugnisse haben.
• Wir wurden darüber informiert, dass die entsprechenden Verwaltungs- und Kontrollsysteme für die Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität bislang weder beschlossen noch vorbereitet wurden. Diese Gelder sollen auch in Polen eine breite Mehrheit der Bevölkerung erreichen. Es liegt an der polnischen Regierung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
• Außerdem fordern wir die polnische Regierung auf, dringend mit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) zusammenzuarbeiten, damit EU-weite Verbrechen im Bereich der Steuerhinterziehung und Geldwäsche effektiv verfolgt werden können.

Darüber hinaus wurden uns weitere Beschwerden und Bedenken in Bezug auf bestimmte Fälle geschildert, die wir nun eingehend analysieren werden. Wir werden unsere Erkenntnisse mit der Kommission, dem EU-Rechnungshof, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung OLAF und der EU-Staatsanwaltschaft teilen. Der Haushaltskontrollausschuss wird die Situation in Polen in die jährliche Haushaltsentlastung einfließen lassen und weiterhin intensiv verfolgen."

Hintergrund:
Unter Leitung von Monika Hohlmeier besuchte eine 7-köpfige Delegation des Haushaltskontrollausschuss seit Montag Polen. Die teilnehmenden Abgeordneten trafen sich mit unabhängigen investigativen Journalisten, Vertretern des Unterhauses Sejm,  dem Staatssekretär für Justiz, Staatsanwälten und Richtern, dem Bürgermeister Warschaus, Unternehmenseigentümern mit Gerichtsfragen und der Obersten Rechnungskontrollbehörde Polens. Zusätzlich wurde der Hauptsitz der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) besucht, um die Gespräche nach dem ursprünglichen Beschluss des Europäischen Parlaments, die Haushaltsentlastung für Frontex für das Jahr 2020 zu verschieben, fortzusetzen.

Für weitere Informationen:
Monika Hohlmeier MdEP: +32 228 45191