Liese/Lins: Kommissionsvorschlag zu Pflanzenschutzmitteln kommt zur falschen Zeit und hat erhebliche Mängel

21.09.2022

EU-Kommission hat im Juni Verbot aller Pflanzenschutzmittel in sensiblen Gebieten vorgeschlagen / Ein Viertel der deutschen Agrarfläche wäre betroffen / differenzierte Herangehensweise notwendig  / Appel an Kommission, den Vorschlag zurückzuziehen und grundsätzlich zu überarbeiten

Am 22. Juni 2022 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln vorgestellt. Der Vorschlag enthält unter anderem ein Verbot aller Pflanzenschutzmittel in sensiblen Gebieten. Neben städtischen Grünflächen, einschließlich Spielplätzen, Schulen, Freizeit- und Sportplätzen und öffentlichen Wegen, zählen dazu auch Landschaftsschutzgebiete und Natura 2000-Gebiete. Insbesondere das Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten und Natura 2000-Gebieten sorgt sowohl bei Landwirten als auch bei Naturschützern für Aufregung. Dazu erklären:

Peter Liese (CDU), umweltpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament:

„Als Umweltpolitiker und Arzt bin ich dafür, dass sparsam mit Pflanzenschutzmitteln umgegangen wird und auf diese so weit wie möglich verzichtet wird. Aber der Vorschlag der Europäischen Kommission kommt zur falschen Zeit und er weist erhebliche Mängel auf. In dieser Form werde ich ihn auf keinen Fall unterstützen. Ich appelliere an die Europäische Kommission, ihn zurückzuziehen und grundsätzlich zu überarbeiten. Insbesondere das totale Verbot von Pflanzenschutzmittel-Einsatz in sogenannten sensiblen Gebieten ist aus meiner Sicht nicht zu verantworten. Es kommt immer darauf an, ob der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in diesen sensiblen Gebieten dem Schutzzweck schadet. Das ist in vielen Bereichen einfach nicht der Fall. Deswegen ist der Eingriff unverhältnismäßig.“

Norbert Lins (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Europaparlament:

„Der Kommissionsvorschlag der Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln blendet die negativen Konsequenzen für Landwirtschaft, Verbraucher und Ernährungssicherheit vollkommen aus. Zudem sind die Auflagen für Anwenderinnen und Anwender absolut realitätsfremd. Von dem vorgesehenen Pflanzenschutzverbot auf ‚empfindlichen Gebieten‘, wären beispielsweise über ein Viertel der deutschen Agrarfläche betroffen und würde somit für viele Betriebe faktisch ein Berufsverbot bedeuten.
Hinzu kommt, dass, während der Einsatz vom Pflanzenschutz EU-weit um die Hälfte reduziert werden soll, Deutschland trotz der Bemühungen der vergangenen Jahre ein nationales Ziel von über 50% erreichen muss. Aus diesem Grund fordere ich die Kommission auf, ihren Vorschlag noch einmal zu überarbeiten.“

Auch Naturschutzverbände richten sich gegen den Vorschlag in der jetzigen Form. So weist zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest exemplarisch auf einen Konflikt in einem der größten Natura 2000-Gebieten Deutschlands, dem Vogelschutzgebiet Hellwegbörde hin. Der Schutzzweck dieses Gebietes ist der Schutz von Bodenbrütern wie der Wiesenweihe. Durch Verzicht auf Pflanzenschutz und verstärkten Einsatz von Instrumenten zur Bodenbearbeitung könnten genau diese Bodenbrüter gefährdet werden.

Joachim Drüke, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest, Trägerverein der Biologischen Station Soest:

„Wir plädieren für einen geringeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und dort, wo dies möglich ist, für einen Verzicht. Und in grünlandgeprägten Natura 2000-Gebieten mit nur wenigen Ackerflächen unterstützt dort ein Verbot sicherlich das Erreichen der Naturschutzziele. Ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln im fast 50.000 Hektar großen, ackerbaulich genutzten Vogelschutzgebiet „Hellwegbörde“ allerdings wäre ein erheblicher Einschnitt in die bisher bewährte Strategie des Vertragsnaturschutzes. Bauern und Naturschützer arbeiten hier seit Jahren kooperativ und erfolgreich zusammen. Das heißt zum Beispiel, dass sich viele Landwirte an freiwilligen Maßnahmen des Naturschutzes beteiligen. Wo diese Maßnahmen einen hinreichenden Flächenanteil erreichen, stellen wir sehr positive Entwicklungen der Vogelbestände fest. Ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln würde in diesem Natura 2000-Gebiet die Vertrauensbasis zwischen Landwirten und Naturschützern aufs Spiel setzen und das Ende des Vertragsnaturschutzes vor Ort bedeuten.“

Für weitere Informationen:
Dr. Peter Liese MdEP: +32 228 45981, peter.liese [at] europarl.europa.eu
Norbert Lins MdEP: +32 228 45819, norbert.lins [at] europarl.europa.eu
Joachim Drüke, Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest: +49 1717318133,  j.drueke [at] abu-naturschutz.de